Urheberrecht: Die Debatte

1. April 2012

Studenten von der Universität der Künste Berlin hatten vor 6 Jahren im Auftrag des Bundesjustizministeriums eine Onlineumfrage zum Meinungsbild hinsichtlich des Urheberrechts gemacht. Damals zeigten die Ergebnisse des Fragebogens, dass obwohl die Meinungen auseinander gehen, die Argumentation, dass der Grund für das neue Gesetz „Schutz des Urhebers“ oder „Förderung neuer Ideen“ nicht überzeugt hat. Heute sind sich aber Künstler, Verwertungsgesellschaften, Produzenten und Politiker weitgehend einig: Tauschbörsen und Filesharing von urheberrechtlich geschützten Werken sollen nicht länger kriminalisiert, sondern mit intelligenten Modellen der modernen Wirklichkeit angepasst werden. Das Wie wirft indes sehr viele Fragen auf, die wohl nur durch Praxistests geklärt werden können. Eben so einen Test fordern die deutschen Grünen für die von ihnen favorisierte "Tauschlizenz". Dieser und vergleichbare Ansätze - etwa eine Kulturflatrate auf die Monatsrate eines DSL-Anschlusses - sollen zur Legalisierung von Filesharing führen, soweit dieses nicht-gewerblichen Zwecken dient.

Pilotprojekt gefordert

Die grüne Kulturexpertin Luc Jochimsen fordert, alle Beteiligten in ein Pilotprojekt einzubinden. Solange dies nicht geschähe, bliebe lediglich Raum für Spekulationen. Der Gedanke erscheint richtig, denn es handelt sich um eine Spielwiese mit Millionen Beteiligten und wahrscheinlich Milliarden Downloads und Tauschvorgängen, auf jeden Fall um einen milliardenschweren finanziellen Hintergrund. Neue Modelle können eigentlich nur per flächendeckenden Feldversuch erprobt werden. Bislang wird die Zahlungsbereitschaft derjenigen, die mit einer gewissen kriminellen Energie illegal downloaden, prinzipiell angezweifelt - doch um wie viele Personen handelt es sich bei diesem harten Kern? Und wie viel Wertschöpfung wäre eigentlich möglich, wenn jeder Internet-Nutzer eine Monatsflatrate von 5 Euro zahlen würde und dafür (fast) alles an Musik und Literatur, vielleicht auch viele Filme und Games kostenlos downloaden könnte? Hochgerechnet auf die Zahl der deutschen DSL-Anschlüsse geht man von rund 1,5 Milliarden Euro jährlich aus. Was ist eigentlich mit den Nutzern, die Breitband-Internet inzwischen per HSPA oder LTE beziehen? - Ein Pilotprojekt würde Klarheit in vielen dieser Fragen schaffen, es würde zudem eine neue Diskussion zwischen Nutzern, Verwertern und Urhebern anstoßen.

Teile der Grünen hoffen in diesem Zusammenhang gleichzeitig auf eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems. Von diesem kommen ebenfalls konstruktive Vorschläge. So regte die AG Dokumentarfilm an, Mehreinnahmen durch die Erhöhung von Rundfunkgebühren - die seit 2012 auch für PCs mit Internetanschluss erhoben werden - für die Kulturförderung frei verfügbarer Werke zu verwenden. Die Linksfraktion unterstützt den Gedanken eines Pilotprojektes ebenfalls, selbst wenn nicht alle Vorschläge ausgereift seien.

Pauschalmodell in der Diskussion

Eine Pauschale auf die Internetnutzung, deren Erlöse den Künstlern zugutekommen, wird erstaunlicherweise von diesen selbst in Zweifel gezogen. Möglicherweise liegt das daran, dass sich zwar hochgerechnete 1,5 Milliarden Euro viel anhören, diese jedoch auf Einzelkünstler verteilt recht kläglich ausnehmen - bei in der VG Wort organisierten Autoren wären es beispielsweise etwa 400 Euro jährlich. Einige freie Journalisten befürworten dennoch das Modell, Blogger kontern mit dem fehlenden Nachweis des Schadens durch illegale Downloads. Die am meisten betroffene Musikindustrie etwa erschließe sich seit Jahren andere Verwertungswege, hauptsächlich über Live-Konzerte, und klage keinesfalls über insgesamt sinkende Umsätze. Man sieht durch eine generelle Freigabe von Downloads für den Privatbereich, und sei es per Flatrate, neue Gefahren heraufziehen. Irgendwann könnten digitale Werke generell unverkäuflich werden.

Andere Experten glauben, dass bei gutem Service sich digitale Geschäftsmodelle im künstlerischen Bereich durchaus etablieren können. Entscheidend sei jedoch, das Urheberrecht in seiner Grundsubstanz zu erhalten und Schritte gegen das gegenwärtige Abmahn-Unwesen einzuleiten, dass sich zur Industrie entwickelt habe und ganze Generationen prinzipiell gegen das Urheberrecht in Stellung bringe.

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